19.11.2018
20 Jahre EEG-Förderung - was dann?

„Ziel ist, dass die Einspeiser höhere Einnahmen haben und die Verbraucher weniger für den Strom bezahlen, dann haben wir die Probleme der Post-EEG-Anlagen gelöst“. Andreas Engl, Geschäftsführer der regionalwerke GmbH & Co. KG aus Bodenkirchen, diskutierte auf der Bürgerversammlung der Freien Wähler darüber, was mit Photovoltaikanlagen passiert, die nach 20 Jahren aus der EEG-Förderung herausfallen.

Reine Einspeise-Anlagen, egal ob PV-Anlagen, Windräder oder Biogasanlagen, haben nach Auslaufen der 20-jährigen Förderung ein Problem: sie müssen den „grünen Strom“ an der Leipziger Strombörse als „Grau-Strom“, also vermischt mit Braunkohle- oder Atomstrom, verkaufen. An der Börse ist der Strompreis jedoch so niedrig oder teilweise auch negativ, dass die Betriebskosten nicht gedeckt sind und die ihre Anlagen lieber stilllegen, bevor sie Verluste schreiben.

Engl ist sich jedoch sicher, dass die PV-Anlagen nach dem Wegfall der EEG-Förderung so profitabel weiter betrieben werden können ohne sie zurückzubauen. Dazu ist aber ein Umbau des Energiemarktes notwendig und auch möglich, da sich Dank der Energiewende die Energie-Landschaft in Deutschland stark verändert.

Angelpunkt seiner Überlegungen ist ein „virtuelles Kraftwerk“, das er gerade mit der Erzeugergemeinschaft für Energie in Bayern aufbaut. Wenn möglichst viele dezentrale Anlagen einspeisen, dann kann es wie ein zentrales Großkraftwerk eine stabile Energieversorgung der Verbraucher gewährleisten. Engl will den Strom als grünen Premiumstrom vermarkten, der nachhaltig produziert, aus der Region kommt, ökologisch sein soll und den Post-EEG-Anlagen mit Hilfe einer „digitalen Dividende“ einen Weiterbetrieb ermöglicht.

Dazu ist aber ein eindeutiger Herkunftsnachweis des Ökostromes notwendig, Andreas Engel nennt das den Strom „stempeln“. Mit Hilfe einer Software, die er gerade im Rahmen des Forschungsprojektes SMECS und in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut, der Uni Leipzig und verschiedenen Softwareunternehmen, im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums entwickelt, wird der Strom aus einer Anlage eindeutig identifiziert und erhält eine digitale Kennung. So könnte der Strom als eindeutig grüner Strom vermarktet und vergütet werden.

Die Software soll in einem Kleincomputer, der sogenannten rexBox installiert und zukünftig neben dem intelligenten Stromzähler im Zählerschrank montiert werden.

Die rexBox eröffnet nach Engl die Möglichkeit, eine außerbörsliche Handelsplattform für regenerative Energie zu schaffen. Denn mit der rexBox soll nicht nur der eingespeiste, gestempelte Strom erkannt werden, sondern auch die verbrauchte Energiemenge. Die rexBox wäre also für Produzenten und Konsumenten, Engl nennt sie „Prosumer“, gleichermaßen interessant und soll für eine intelligente Angleichung zwischen dem Stromangebot und dem Stromverbrauch sorgen. Das könnte Vorteile bieten, wenn die Box beispielsweise ein Signal gibt und bei niedrigem Strompreis die Waschmaschine eingeschaltet wird. Andererseits könnte dadurch das „virtuelle Kraftwerk“ in Echtzeit reagieren, wenn der Stromverbrauch so hoch ist, dass ansonsten überregionaler Zukauf von Strom notwendig wird.

Begeistert referierte Andreas Engl über die erweiterten Möglichkeiten der rexBox mit sogenannten Smart Services. Damit ist gemeint, dass digitale Dienste, wie Streaming- Telefon- oder Internetdienste kostengünstig angeboten werden könnten. Viel Zustimmung fand er für diese Ideen noch nicht, allerdings verwies Engl auf den damit verbundenen Mehrwert und dass die entsprechenden Bedürfnisse bei den Kunden auch erst noch geweckt werden müssten.

Auch hinsichtlich der Datensicherheit wurde von den Besuchern noch Bedenken geäußert, allerdings war sich die Runde auch bewusst, dass diese Dienste zunehmend in die Haushalte einziehen werden. Ähnliches gilt auch für die neuen intelligenten Stromzähler, die in den nächsten Jahren Zug um Zug von den Stadtwerken installiert werden müssen. Daher sind die Systemsicherheit und der Datenschutz im Konzept der Regionalwerke auch besonders wichtig, denn der zukünftige Kunde muss diesem System vertrauen. Aus diesem Grund möchte Engl das Konzept auch gemeinsam mit den bayerischen Stadtwerken realisieren und auch die Gemeinden, die kein eigenes Kommunalwerk besitzen, beteiligen lassen.

Stadtrat Josef Sterr befürchtete mit einer außerbörslichen Handelsplattform und flexiblen Preisen, dass die Stromkunden verunsichert sein könnten und die Strompreise womöglich zu hoch wären. In dieselbe Richtung ging die Kritik von Thomas Koj, der sagte, dass er einerseits den Strom seiner PV-Anlage zu einem kostendeckenden Preis einspeisen will und andererseits den Verbrauchstrom zu möglichst günstigen Konditionen kaufen will. Engl verwies darauf, dass zwar die Einnahmen auf der Erzeugungsseite steigen würden, jedoch die Kunden im Gegenzug auf niedrigere Preise als bisher einstellen könnten. Voraussetzung dafür ist die Abstimmung zwischen Erzeugung und Verbrauch in einer Region und die damit verbundenen Möglichkeiten zur Kürzung der Steuern, Abgaben und Umlagen, wie beispielsweise der Netzentgelte, die zusammen etwa 80 % des Strompreises ausmachen. „Eine optimale Ausgestaltung der Erzeugungsseite, aus Wind, Biogas und Photovoltaik, gepaart mit einer intelligenten Steuerung, kann die sichere Energieversorgung einer Region günstiger als bisher gewährleisten.“

Am Rande des Bürgergesprächs kam auch die Notwendigkeit einer 5G-Breitbandversorgung zur Sprache, die laut Engl auch für einen regionalen Strommarkt wichtig ist. Wann Engl mit seinem Stromanbieter, den Regionalwerken, diesen virtuellen Marktplatz für regenerative Energiemengen starten kann, ist noch ungewisse. Anvisiert ist das Jahr 2021, wenn die ersten EEG-Anlagen ihre Vergütung verlieren und das sogenannte „Post-EEG-Zeitalter“ beginnt.